„Verloren – und doch gewonnen!“

Düsseldorf, 29.01.2021

Verfassungsgerichtshof lehnt sofortige Rückkehr zum Präsenzunterricht ab

„Verloren – und doch gewonnen!“ So fasst Prof. Dr. Nicole Reese von der Gruppe Klage für Bildung den Beschluss vom heutigen Tage zusammen. Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen hat heute anerkannt, dass mit der Untersagung von Präsenzunterricht „hohe Belastungen im sensiblen Bereich der schulischen Bildung und der kindlichen und jugendlichen Entwicklung einhergehen, die – namentlich für jüngere Schülerinnen und Schüler – auch durch Distanzunterricht allenfalls unvollständig und nicht ohne soziale Verwerfungen kompensiert werden können.“ Dies gelte umso mehr, als bereits im Frühjahr 2020 über einen längeren Zeitraum Präsenzunterricht nicht erteilt worden sei.

Nach Auffassung des höchsten Gerichts in Nordrhein-Westfalen muss das Interesse der Beschwerdeführerin – und mit ihr der 630.000 Grundschulkinder im Land insgesamt – an einer unverzüglichen Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts derzeit noch hinter dem Interesse der Allgemeinheit am ungehinderten Vollzug des „zumindest nicht offensichtlich fehlsamen Konzepts“ der Landesregierung zurücktreten. 

Denn die Geltungsdauer des Verbots des Präsenzunterrichts bis zum 14. Februar 2021 sei noch „hinnehmbar“. Allerdings müsse die Landesregierung die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Untersagung von Präsenzunterricht fortlaufend überprüfen.

Für die Zeit nach dem 14. Februar 2021 betont der Verfassungsgerichtshof, dass die Landesregierung bei Umsetzung der von der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder ohne rechtliche Verbindlichkeit beschlossenen Maßnahmen den konkreten tatsächlichen Verhältnissen im Land Nordrhein-Westfalen Rechnung tragen müsse. 

Die vorliegende Entscheidung weist damit weit über den Schulbereich hinaus: Laut Verfassungsgerichtshof müssen zukünftige Abwägungsentscheidungen „erkennbar und plausibel vom Prinzip der größtmöglichen Schonung der Grundrechte der von den Freiheits- und Teilhabeeinschränkungen Betroffenen geleitet sein“. Wie eine Mahnung an die Verwaltungsgerichte liest sich der weitere Hinweis, dass „Unsicherheiten über die Ursachen der Ausbreitung des Coronavirus nicht ohne Weiteres „im Zweifel“ zu Lasten der Freiheits- und Teilhaberechte aufgelöst“ werden dürfen. Die Zumutung konkreter Einschränkungen bedürfe umso mehr der grundrechtssensiblen Rechtfertigung, je unklarer der Beitrag der untersagten Tätigkeit zur Verbreitung des Coronavirus sei und je länger diese Einschränkung dauere.

„Schulschließungen über den 14. Februar 2021 werden verfassungsrechtlich nur schwer zu rechtfertigen sein“, so Nicole Reese.

 

Die Gruppe Klage für Bildung besteht aus engagierten Eltern, die sich zwecks eines Normenkontrollantrags im Eil- und Hauptsacheverfahren zur Überprüfung des aktuell bis 14.02.2021 durch das Land NRW ausgesetzten Präsenzunterrichts an Grundschulen zusammengetan hat. Mit einer Crowdfundingaktion zur Finanzierung der Kosten der Klage auf Gofundme und über Paypal fanden sich inzwischen mehr als 120 Unterstützer:innen aus ganz Deutschland. Das widerspiegelt auch ein großes öffentliches Interesse an dem Thema. Kontakt zur Gruppe Klage für Bildungklage-fuer-bildung@web.de, Link zur Crowdfunding-Aktion: https://gofund.me/dc603fd2 und Spenden über Paypal: https://paypal.me/pools/c/8vSbFJpTkv