Düsseldorf, 05.10.2021
Bei regnerischem Wetter mit zeitweise heftigen Sturmböen folgten heute in Düsseldorf knapp 200 Demonstrant*innen aus ganz Nordrhein-Westfalen dem Demoaufruf von #LautfürFamilien, um den #Kidsfreedomday zu fordern und zu feiern. Familien, Kinder und Erwachsene zogen vom Düsseldorfer Marktplatz vorbei am Justizministerium zum Platz der Deutschen Einheit.
Auch in Stuttgart riefen neben #LautfürFamilien die Initiativen „Zeig dein Herz für Kinder“ und „Initiative Familien“ zur gleichen Zeit unter demselben Motto „Kinder haben Rechte“ zur Demo auf. Der Aufzug startete in der baden-württembergischen Landeshauptstadt vor dem Sozialministerium mit etwa 400 Demonstrantinnen und zog zum Kultusministerium, wo eine Kundgebung mit Reden aller drei Initiativen abgehalten wurde. Auch hier herrschte mit Trommeln, Musik und Luftballons eine friedlich-gelassene Feierstimmung wie in Düsseldorf.
Nele Flüchter von der Initiative #LautfürFamilien NRW zu den Forderungen der Demo: „Diese Ungerechtigkeit, dass Erwachsene wieder ausgelassen im Fußballstadion, in der Kneipe, im Rockkonzert feiern dürfen – unter Einhaltung der sogenannten 3G-Regel auch ohne Maske und ohne Kontaktnachverfolgung, und gleichzeitig unsere Kinder und Jugendlichen in festen Gruppen, getestet – in der Grundschule gar PCR-getestet – weiterhin 6, teilweise bis zu 8 oder 9 Stunden quasi ohne Pause Masken tragen, müssen, muss laut ausgesprochen werden. Wir fordern Herrn Minister Laumann und die gesamte Landesregierung auf, die Maskenpflicht an Schulen und insbesondere im Unterricht, sofort abzuschaffen.“
Kritisiert wurde auch, dass Kinder an den Schulen auch weitere Einschränkungen in Kauf nehmen müssen: Z.B. durften Einschulungsfeiern in Nordrhein-Westfalen im Freien mit 3G-Regel und Maskenpflicht, aber ohne Großeltern und Gruppenfoto stattfanden. So wurde einer der wichtigsten Momente im Familienleben wie bereits für die Erstklässler im vergangenen auch in diesem Jahr staatlicherseits unverhältnismäßig eingeschränkt. Diese Ungleichbehandlung der Kinder und Jugendlichen im Schulkontext gegenüber den Erwachsenen, die zum Beispiel als Arbeitnehmer nur eine Testangebotspflicht, aber keine gesetzliche Testpflicht hatten und haben, wird immer offensichtlicher. Die „Lockerungen“ ab dem 1.10.21 kommen quasi nur den Erwachsenen und im Freizeitbereich zugute. Und dass, obwohl das OVG NRW vor den Sommerferien die Maskenpflicht noch damit begründete, dass nicht alles gleichzeitig gelockert werden könne, aber die Ungleichbehandlung hinzunehmen sei, da sie nur temporär sei. „Leider scheint sich die Politik nicht daran halten zu wollen“, sagt Dr. Nicole Reese von der Initiative.
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Anbei ein paar Eindrücke von den Demos in Stuttgart und Düsseldorf. Zu guter Letzt folgt Dr. Nicole Reeses Rede von der Düsseldorfer Demo zum Nachlesen.
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Liebe Teilnehmer unser kidsfreedomday Demo,
hier vor dem Justizministerium möchte ich ein paar Worte zur Maskenpflicht an Schulen aus juristischer Sicht sagen.
Das OVG NRW winkt die Maskenpflicht seit August 2020 durch; die Begründungen werden dabei immer komplexer, leider auch absurder und widersprüchlicher; manches ist gar schlichtweg falsch.
In der neusten Entscheidung vom 16.09.2021 meint der 13. Senat, dass „Unter Berücksichtigung all dessen sowie des Umstands, dass – wie es sich schon jetzt zeigt – eine zunehmende Infektionstätigkeit in der jüngeren Bevölkerung auf ältere, gefährdetere Bevölkerungsgruppen übergreift, die noch nicht in ausreichendem Maße geimpft sind, spricht Überwiegendes dafür, dass die Schüler die mit dem Tragen einer Maske innerhalb von Schulgebäuden verbundenen Unannehmlichkeiten derzeit noch hinnehmen müssen.“
Der Senat meint also allen Ernstes, dass die Infektionstätigkeit bei Kindern besonders hoch ist. Bei den 10- bis 19-jährigen liegen die Zahlen im Übrigen nur etwas höher als bei den 20-30 und 30-40jährigen, das ist richtig, aber keine andere Gruppe wird so umfassend getestet, denn Kinder werden 2 bis 3x die Woche getestet, sodass quasi kein Dunkelfeld mehr besteht, während Erwachsene vielfach geimpft und damit nicht getestet werden und im beruflichen Umfeld weitgehend keine regelmäßige Testpflicht besteht. Wir können also schon gar nicht wissen, ob die Infektionstätigkeit bei den anderen Gruppen nicht genau so hoch ist, denn bei den anderen Gruppen erheben wir es schlichtweg nicht. Die Kinder unter 10 sind übrigens deutlich seltener infektiös als die eben genannten Altersgruppen. Damit ist diese Behauptung schon widerlegt.
Noch empörender ist aber die nicht haltbare und in keinster Weise bewiesene Mutmaßung es würde sich zeigen, dass Kinder das Virus in relevantem Umfange an die ältere Bevölkerung weitergeben. Diese Annahme bewegt sich im Bereich der alternativen Fakten, denn es ist wissenschaftlicher Konsens, dass Kinder gerade keine Pandemietreiber sind.
Aber sogar, wenn es zu Übertragungen käme, wären nicht endlich einmal die Erwachsenen dran, sich selbst zu schützen. Und wenn das Infektionsgeschehen so dynamisch ist, wie uns das OVG weiß machen will, warum kann dann in weiten Teilen der Erwachsenenwelt gelockert werden. Warum sind jetzt dann nicht die Kinder dran.
Im Juli, also vor den Ferien sagte das OVG noch: Der Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems gebietet es, dass die ergriffenen Schutzmaßnahmen nicht alle zum gleichen Zeitpunkt aufgehoben werden und das Infektionsgeschehen mit den damit verbundenen Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung wieder uneingeschränkt Fahrt aufnehmen kann.
Einer solchen schrittweisen Lockerung ist indes immanent, dass einige Bereiche früher von Lockerungen profitieren als andere, es also zwangsläufig zu Ungleichbehandlungen kommt. Diese Ungleichbehandlungen erfolgen allerdings— jedenfalls wenn die Lockerungen in einen entsprechenden „Lockerungsfahrplan“ eingebettet sind — nur für einen zeitlich begrenzten Zeitraum.
Jetzt frage ich mich, warum weitere Lockerungen im Erwachsenenbereich möglich sind, aber wieder nicht in den Schulen, es sollte doch einen Lockerungsplan für alle Bereiche geben, damit die Ungleichbehandlungen nur kurze Zeit gelten. Dies scheint aber weder die Politik noch die Justiz zu interessieren, getreu dem Motto „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“.
Statt die Ungleichbehandlung zu beseitigen, wird die Ungleichbehandlung auf die Spitze getrieben. Diskos öffnen mit Schnelltest, der nicht älter als 6 Stunden sein darf. Dann tanzen dort ohne Kontaktverfolgung viele junge Menschen ohne Maske, in stickigen Räumen mit viel Alkohol und ohne Abstand. Das geht, aber kein Schulunterricht ohne Maske.
Hier sagt das OVG wiederum: Ferner sind – auch im Vergleich zu Bereichen, in denen die Maskenpflicht aufgehoben wurde – die Besonderheiten des Schulbetriebs zu berücksichtigen. Hier treffen eine Vielzahl, teils gänzlich ungeimpfte, teils nur zu einem geringen Anteil geimpfte Personen über lange Zeiträume in geschlossenen Räumen aufeinander. Ist das in Diskos anders und ist die Impfung nicht nur Eigenschutz, den Kinder nicht benötigen, schließlich sind auch Geimpfte Überträger wie uns die Münsteraner Party zeigte.
Richtig ist die nächste Aussage des Gerichts, dass die Schüler– anders als dies in vielen anderen Lebensbereichen der Fall ist – wegen der bestehenden Schulpflicht nicht die Wahl, ob sie sich diesem Risiko aussetzen. Die ganze Wahrheit ist aber auch, dass die vielen Kinder, die unter der Maske leiden, auch keine Wahl haben, ihr zu entrinnen.
Damit aber nicht genug. Zuletzt meint das OVG allen Ernstes, dass die VO bereits substantielle Lockerungen enthalte und die Maskenpflicht nicht draußen, und in Pausenzeiten bei Einhaltung des Mindestabstands zur Aufnahme von Speisen und Getränken gelte. Gleiches gilt bei der Sportausübung, wenn dies für diese erforderlich ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 CoronaBetrVO), oder bei der Kommunikation mit einem gehörlosen oder schwerhörigen Menschen (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 CoronaBetrVO). Außerdem könnten Lehrkräfte aus pädagogischen Gründen teilweise auf Masken verzichten und mit Befreiungs-Attest müsste auch keine Maske getragen werden.
Ich sage ihnen wie die Realität aussieht. Viele verunsicherte Kinder tragen selbst auf dem Schulhof noch Masken, weil sie nicht mehr wissen, was richtig ist. Das Recht auf Essen und Trinken ist so selbstverständlich und essentiell, dass dies wohl kaum eine Entlastung ist, sondern eine absolute Selbstverständlichkeit. Was die anderen Ausnahmen angeht, kann ich nur sagen, dass meine Kinder durchweg Masken beim Sport in Innenräumen tragen und weder die Sportlehrkräfte noch die Schulleitung auf meine Anfragen eingeht. Lehrer, die die Kinder von Masken aus päd. Gründen befreien sind eine Seltenheit und müssen befürchten, dass BAS-Eltern, Kollegen oder Schulleitungen sie dafür angreifen und Maskenatteste werden oft nicht akzeptiert und die Kinder, die befreit sind, werden diskriminiert, in die Ecke gesetzt und gemobbt. Das liebe Teilnehmer ist die Realität.
Das diese Bröckchen als Mittel angesehen werden, die Maskenpflicht verhältnismäßig zu machen, ist schlichtweg juristisch nicht haltbar und daher komme ich zu dem Schluss, dass die Maskenpflicht nicht mehr gerechtfertigt ist und sowohl gegen die Handlungsfreiheit und körperliche Unversehrtheit verstößt, aber auch eine massive Ungleichbehandlung und einen Verstoß gegen die Vorrangpflicht des Art. 3 UN-KRK darstellt.
Da die Justiz in diesem Falle also offenbar auf beiden Augen blind ist, die Politik nicht will und so auch keinen Druck von der 3. Gewalt befürchten muss, müssen letztlich wir Eltern für die Rechte unserer Kinder mit allen uns zur Verfügung stehenden demokratischen Mitteln kämpfen, indem wir demonstrieren, mutig unsere Meinung sagen; das ist erlaubt, Briefe und Mails an die richtigen Leute schreiben und in social media nicht müde werden, aktiv zu sein.