Kommentar zum Weltfrauentag

08. März 2021

Der achte März jeden Jahres ist als „Weltfrauentag“ den bisherigen Errungenschaften der Frauenbewegung hinsichtlich Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen gewidmet. Das erstrittene Wahlrecht für Frauen, welches am 30. November 1918 in der verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung gesetzlich fixiert wurde, gilt als wichtiger Erfolg und ein Grundstein für die Stärkung und Etablierung von Frauenrechten. Was in den kommenden Jahren und Jahrzehnten folgte, war ein zähfließender Strom an Zugeständnissen und gesetzlichen Anpassungen, deren Diskussionswürdigkeit dem aktuellen Zeitgeist geradezu absurd anmutet. Seit 1958 erst sind Frauen berechtigt, ein eigenes Konto zu führen und somit über ihr eigenes Geld zu verfügen. Sogar bis 1977 oblag die Entscheidung, ob eine Frau berufstätig sein durfte, allein ihrem Ehemann, der darüber hinaus jederzeit und ohne ihr Einverständnis ihren Arbeitsvertrag in ihrem Namen kündigen konnte, ohne sie auch nur darüber in Kenntnis setzen zu müssen. Noch in den 70er Jahren durften Frauen nur die Waren des täglichen Bedarfs erwerben. Größere Anschaffungen, wie z.B. Möbel oder Musikinstrumente, bedurften der Einwilligung ihres Ehemanns. Vergewaltigung in der Ehe schließlich, ist sogar erst seit 1997 strafbar.

Vor dem Hintergrund all dieser durchaus erfreulichen Entwicklungen scheint es, als seien wir auf einem guten Weg. Nicht nur als Frauen, sondern als gesamte Gesellschaft. Frauen sind heutzutage berechtigt und in der Lage, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten und sind daher nicht mehr grundsätzlich gezwungen, auch in destruktiven oder gar gefährlichen Partnerschaften zu verbleiben. Das Recht auf Bildung und Betreuung gewährleistet, dass Frauen einer qualifizierten Berufstätigkeit nachgehen und somit ihr Leben selbstbestimmt und (finanziell) unabhängig von Staat und / oder Ehemann gestalten können. Missstände wie Gender Pay Gap und die einseitige Verlagerung der Carearbeit auf Frauenschultern rücken immer mehr in den Fokus. Ebenso systemische Gefahren, wie beispielsweise die sogenannte „Teilzeitfalle“, die häufig zu Altersarmut infolge unzureichender Rente bei Frauen führt, oder die Tatsache, dass das Scheidungsrecht inzwischen deutlich moderner ist, als es die meisten Familien sind. All diese Probleme sind noch lange nicht gelöst, jedoch hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt eine Sensibilisierung für das grundsätzliche Vorhandensein entwickelt und politische, sowie gesamtgesellschaftliche Strategien, um diesen entgegenzuwirken, werden gefordert.

Corona gefährdet all dies. Wie ein Brennglas, um diesen vielfach überstrapazierten Vergleich zu bemühen, zeigen uns die vergangenen zwölf Monate Pandemie gnadenlos und geradezu schmerzhaft unsere Versäumnisse und Defizite auf. Die vielerorts als „Helden der Pandemie“ gefeierten Pflegekräfte sind in der Überzahl weiblich. Gleiches gilt für die Beschäftigten des Einzelhandels, therapeutische Fachkräfte und Beschäftigte in der Kindertagesbetreuung.  Wie die vergangenen Monate eindrücklich bewiesen haben, sind diese Personengruppen nicht nur relevant für das System, sie sind die Basis. Ein Grund, diesen Berufen eine angemessene Entlohnung zukommen zu lassen ist dies freilich auch weiterhin nicht – abendliches Klatschen auf dem Balkon soll an dieser Stelle ausreichen, um Solidarität und Anerkennung auszudrücken. Auch im privaten Umfeld übernehmen Frauen weiterhin den Großteil der Carearbeit, auch in Pandemiezeiten, wenn diese Carearbeit neben den üblichen Inhalten noch um Home-Schooling und Kinderbetreuung parallel zur eigenen Berufstätigkeit ergänzt wird. Ein Grund, diese zusätzlichen Tätigkeiten entsprechend zu entlohnen, oder auch nur anzuerkennen, ist dies freilich nicht. Ein bisschen extra Taschengeld („Kinderbonus“) soll reichen, damit Frau sich noch ein paar Monate zwischen Home-Office, Home-Schooling, Home-Kindergardening und Home-Zusammenbrechen zerreißt. Schließlich hat alleine die Mutter sich anscheinend freiwillig für die Elternschaft entschieden. Nun soll sie zusehen, wie sie damit zurecht kommt – mit allen Konsequenzen. Diese Konsequenzen beobachten wir bereits jetzt: Notgedrungen findet derzeit eine deutliche Retraditionalisierung statt. Die zunehmende Unzuverlässigkeit von Betreuung und Schule führt dazu, dass Frauen allerorts ihre Erwerbstätigkeit verringern, wenn sie diese nicht sogar ganz aufgeben. Dies führt zu einem verstärkten Rückfall in die traditionelle Hausfrauenehe, in der die Ehefrau nicht nur wirtschaftlich von Leistungsfähigkeit und Zugewandtheit des Ehemanns abhängig ist. Auch nach Ende der Pandemie ist für viele Frauen nicht mit einer raschen und reibungslosen Rückkehr ins Berufsleben zu rechnen.  Wenn die Pandemie vorbei ist, werden wir feststellen, was heute noch niemand so recht aussprechen mag: Den meisten Menschen wird es wirtschaftlich spürbar schlechter gehen, als zuvor. Die hohe Zahl an Arbeitslosen wird dazu führen, dass Arbeitgeber deutlich mehr Auswahl an Bewerbern haben, als es heute der Fall ist. Das sie sich bei einer Jobvergabe bei ähnlicher Qualifikation für eine junge Frau oder Mutter entscheiden, wenn auch ein Mann zu haben ist, steht nicht zu erwarten. Wie der Überhang an Bewerbern sich zudem auf das Lohnniveau auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Alles in allem werden gerade Frauen durch die Pandemie um viele Jahre zurückgeworfen. Die Auswirkungen werden noch für viele Jahre, wenn nicht sogar noch für die kommende Generation, zu spüren sein. Politik und Gesellschaft sind gefordert, umgehend geeignete Strategien zu entwickeln, um dem entgegenzuwirken. Die Coronakrise darf keine reine Frauenkrise werden. Gleiche Rechte und Chancen für Frauen müssen auch während der Pandemie gesichert werden – und erst recht darüber hinaus.

Judith Bachmann für #Laut für Familien