Freizeit- und Vereinssport für Kinder und Jugendliche in NRW zulassen!

02.12.2020

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Laschet, 
sehr geehrter Herr Gesundheitsminister Laumann und 
sehr geehrte Frau Staatssekretärin Milz,

wir wenden uns im Namen unserer Initiative und zahlreicher Verbände, Institutionen, Vereine, Sportler und Eltern an Sie. Wir appellieren an Sie, den aktuellen Lockdown des Vereins- und Freizeitsports für Kinder und Jugendliche umgehend zu beenden![i]

Kinder haben nach der Kinderrechtskonvention sowohl das Recht auf Spiel und Freizeit (Art. 31) als auch auf psychische und physische Gesundheit (Art. 24). Dennoch werden ihnen durch den o.g. Lockdown im Bereich des Sports bereits seit November 2020 abermals die Grundlagen für Sport und Bewegung entzogen, indem der komplette Mannschafts- und Freizeitsport im Amateurbereich in NRW verboten ist. Da zu befürchten ist, dass diese Maßnahmen auch im neuen Jahr weitergelten, Kinder und Jugendliche aber nicht nur Bildung, sondern auch Freizeit brauchen und ein Recht auf physische und psychische Gesundheit haben, stellt das verhängte vollständige Verbot des Vereins- und Freizeitsports, insbesondere für Kinder und Jugendliche, einen schweren Grundrechtseingriff dar. Ein solcher Grundrechtseingriff ist nur dann verhältnismäßig, wenn er dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt, d.h. er muss ein legitimes Ziel haben sowie geeignet, erforderlich und angemessen sein.

Das Ziel, eine schnelle Zunahme von Covid-19-Infektionen zu unterbinden, die insbesondere für Risikogruppen eine besondere Gefahr darstellt, ist ohne Zweifel gegeben. Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die Ausbreitung der Infektionszahlen einzudämmen. 

Da der Bereich des Vereins- und Freizeitsports nur relativ wenig nachgewiesene Infektionen aufweist[ii] und gerade Kinder bis ca. 14 Jahren nach aktuellen Studien deutlich weniger am Infektionsgeschehen beteiligt sind als ältere Jugendliche und Erwachsene,[iii]  ist nicht zu erwarten, dass die aktuell erneut erheblich einschränkenden  Maßnahmen zu einer signifikanten Reduktion der Infektionen führen werden. Somit ist diese Maßnahme allenfalls am Rande geeignet, Infektionen zu vermeiden. 

Das allgemeine Verbot von Vereins- und Freizeitsport muss überdies auch erforderlich, also das mildeste Mittel sein, um das o.g. Ziel zu erreichen. Es gibt es jedoch Alternativen: Sport jeder Art im Verein in festen Kohorten mit bis zu 10 Kindern. Die Kinder beherrschen die Hygieneregeln oftmals besser als die Erwachsenen, da sie sich in Schule und Kita an diese gewöhnt haben. Eine Auffassung, die die NRW-Politik und auch die Gerichte bereits regelmäßig vertreten haben. Wenn Hygienekonzepte offenbar gut funktionieren und wegen der festen Gruppen, eine Durchmischung nicht stattfindet und zudem eine Rückverfolgbarkeit gewährleistet ist, dann gibt es zum vollständigen Verbot des Vereins- und Freizeitsports mildere Alternativen. 

Insbesondere die Angemessenheitsprüfung, also die Abwägung der gegenläufigen Interessen fällt offensichtlich zugunsten des Sports für Kinder und Jugendliche aus. Eine Erkenntnis, die in anderen Bundesländern, wie bspw. Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, bereits gewonnen wurde. Dort findet Vereinssport in festen Kohorten statt. Die o.g. Rechte auf psychische und physische Gesundheit der Kinder sowie das Recht auf Spiel und Freizeit stehen dem Bevölkerungsschutz gegenüber. Das Recht der Bevölkerung auf Schutz ist ohne Weiteres anzuerkennen, doch kann es eben keinen absoluten Schutz eines Grundrechts zu Lasten eines anderen geben. Und hier überwiegen nun einmal die Interessen der Kinder und Jugendlichen. 

Kinder und Jugendliche befinden sich derzeit in einer außergewöhnlichen Situation, bei der gerade Sport helfen kann, Stress abzubauen,[iv] und die individuelle Gesundheit der Kinder zu stärken und damit auch das Immunsystem[v]. Die Universität Paderborn verweist sogar darauf, dass eine Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit es dem Körper ermöglicht, besser auf Infektionen zu reagieren. Sport trägt somit dazu bei, die körpereigenen Abwehrkräfte zu stärken und hat so einen positiven Effekt auch auf den Verlauf der Erkrankung mit dem Coronavirus.[vi]

Daneben benötigen Kinder und Jugendliche aber für den Sport auch die Anleitung, den Zuspruch und die Vorbildfunktion der überwiegend ehrenamtlich tätigen Trainer*innen. Es muss daher möglich sein, ein Minimum an sportlichen Aktivitäten in der Gruppe zu erlauben, insbesondere in Anwesenheit dieser erwachsenen Trainer*innen. Denn jene stellen gerade in diesen Zeiten für viele Kinder und Jugendliche eine wichtige psychische Stütze dar. 

Dazu kommt, dass Kinder sich ohnehin – wie jüngst die WHO festgestellt hat[vii]  – schon viel zu wenig bewegen. Schon jetzt bewegen sich 3 von 4 Kindern in Deutschland zu wenig, was gravierende Auswirkungen auf ihre Gesundheit hat. Daher ist ein zusätzliches Angebot neben dem Schulsport, der ebenfalls auf „Sparflamme“ gefahren wird, erforderlich, um weiteren Gesundheitsgefahren vorzubeugen und nicht neue Belastungen des Gesundheitssystem zu erzeugen. Sportliche Aktivitäten stärken das Gesundheitssystem und können zudem drohenden Volkskrankheiten, wie Diabetes und Übergewicht, entgegenwirken.

Sport dient auch der psychischen Gesundheit. Gerade Kinder und Jugendliche benötigen oftmals den Verein als Motivation zum Sport.[viii] Individualsport allein fällt einer Vielzahl der Kinder und Jugendlichen schwer mit der Folge, dass er unterbleibt. Das Verbot des Sportvereins führt infolgedessen bei vielen Kindern zu erhöhtem Medienkonsum, ungesunderem Essverhallten, unzureichendem Aufenthalt an der frischen Luft und vermehrten Aggressionen.[ix] Gerade in dieser Krise erwarten Kinder- und Jugendpsychologen ein erhöhtes Auftreten psychischer Erkrankungen gerade bei Jugendlichen.[x]  

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass immer weniger Kinder schwimmen können und immer öfter Kinder ertrinken.[xi] Wenn wir nicht bald wieder „Schwimmen-Lernkurse“ aufnehmen, wird sich auch dieses Problem verschärfen. 

Die Wiederzulassung des Sports würde über all dies unserer Ansicht nach auch die allgemeine (derzeit flächendeckend ja eher schwindende) Akzeptanz gegenüber den Maßnahmen erhöhen. Mit der aktuellen Verordnung dürfen sich zwei Hausstände treffen, Kinder bis 14 nicht mitgezählt. Ergo dürfen sich zwei Haushalte privat treffen. Dabei sitzen die Kinder oft stundenlang nah beieinander „zocken“, „daddeln auf dem Handy“ oder beschäftigen sich anderweitig, sitzen während alle dem aber in schlecht belüfteten Privaträumen. Das ist erlaubt, der „gesunde“ Sport ist hingegen weitestgehend verboten, demnach noch schärfer eingeschränkt als sonstige private Kontakte. Kinder dürfen nach der aktuellen Lage also nicht einmal mit ihrem besten Freund oder ihrer besten Freundin oder gar innerhalb der Familie Mannschaftssport ausüben, also auf einen Korb werfen oder auf ein Tor spielen. Schwierig, hier noch eine rationale und nachvollziehbare Erklärung zu generieren, was aber die Grundlage für eine möglichst hohe Akzeptanz und die damit verbundene Bereitschaft zur Umsetzung der Maßnahmen darstellt! 

Es bedarf daher eines Strategiewechsel und damit einhergehend wesentliche Lockerungen der zuletzt angeordneten Verbote![xii] Konkrete Ideen für die Lockerungen finden Sie nachfolgend aufgelistet. 

  • Training und Sportbetrieb in Anwesenheit von Trainer*innen unter besonderer Beachtung der bislang erfolgreich etablierten und mit den Gesundheitsämtern abgestimmten Hygienekonzepten für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren in festen Kohorten von bis zu 10 Kindern, In- & Outdoor
  • Fortführung der Schwimmlernkurse nach den o.g. Kriterien
  • Angeleitetes Training durch Trainer*innen im Rahmen der 2-Haushaltsregel für alle Sportarten
  • Spielen von Fußball, Basketball oder anderen Sportarten in kleinen Gruppen von bis zu 6 Kindern auf Freizeitplätzen für Kinder bis zum 14. Lebensjahr 
  • Gleichstellung der Regelungen von Mannschafts- und Freizeitsport mit denen des Individualsports für Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr

 

Hierbei handelt es sich um einen Vorschlag in die von uns angedachte Richtung, der aber durchaus noch modifiziert werden kann oder – ähnlich dem Modell der Deutschen Sportjugend[xiii] – noch einmal stärker zwischen den verschiedenen Altersstufen differenzieren kann.

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Nicole Reese und Nina Meseke