Unter 100

Anfrage zur weiteren Planung zum Schul- und KiTa- Betrieb in Nordrhein- Westfalen

Pulheim, den 08.05.2021

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Laschet,

Sehr geehrte Frau Ministerin Gebauer,

Sehr geehrter Herr Minister Dr. Stamp,

Sehr geehrter Herr Minister Laumann,

die sogenannte „Bundesnotbremse“ des §28b Infektionsschutzgesetzes regelt einheitlich für die Bundesrepublik die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ab einem bestimmten Inzidenzwert von Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in einem Landkreis/einer kreisfreien Stadt. So ist nach § 28b Abs. 3 IfSG eine Bestimmung über einen vollständigen Wechsel in den Distanzunterricht der Schüler:innen und der Übergang in den KiTa Notbetrieb ab einem Inzidenzwert von 165 festgelegt.

Diese Rechtsnorm hat weitreichende Auswirkungen auf den Alltag, die Teilhabe und die Bildungschancen unserer Kinder. Denn infolgedessen besuchen zurzeit in Nordrhein-Westfalen die meisten Kinder ihre Schulen wieder nicht. Dies betraf am 7. Mai noch 15 der 53 NRW-Kreise und kreisfreien Städte.[1] Faktisch hat der Unterricht in Präsenz im Jahr 2021 bisher für die meisten Kinder und Jugendlichen an nur fünf Tagen an weiterführenden und an ca. 12 Tagen an Grundschulen stattgefunden. Die Schulen waren in diesem Jahr überwiegend geschlossen.

Die derzeitige Corona-Betreuungsverordnung des Landes NRW ist seit dem 23.04.2021 in Kraft und endet mit Ablauf des 21. Mai 2021. Gemäß dieser Verordnung ist, sofern § 28b Abs. 3 IfSG nicht schon greift, also zwingend nur Distanzunterricht zulässig ist, für Schüler:innen weiterhin ausschließlich Wechselunterricht zulässig. Der Betrieb der Kindertagesstätten wird nur im eingeschränkten Regelbetrieb, d.h. mit einer reduzierten Stundenzahl um 10 Std. pro Woche, fortgeführt. Unter welchen Bedingungen unsere Kinder wieder mit einem Unterricht in Vollpräsenz und mit einer Betreuung im vollen Umfang in den Kindertagesstätten rechnen können, lässt die Betreuungsverordnung offen.

Das RKI hat in dieser Woche erstmals eine Stagnation dieser dritten Infektionswelle feststellen können. Auch wenn die Fallzahlen in den meisten Landkreisen und kreisfreien Städten weiterhin hoch sind, hoffen wir, dass das Infektionsgeschehen in Nordrhein- Westfalen und in der ganzen Bundesrepublik zurückgehen wird.

Die Erfahrungen aus dem letzten Jahr haben gezeigt, dass vor allem die Schulen und auch die verwaltenden Kommunen Zeit brauchen, um den Schulbetrieb wieder einzurichten. Hier geht oftmals wertvolle Zeit verloren, in der unseren Kindern aufgrund aufwändiger Verwaltungsverfahren weiterhin Schulbildung vorenthalten wird. Wir mahnen Sie an, diese Zeit nicht verstreichen zu lassen und die notwendigen Vorbereitungen für Schul- und KiTa-Öffnungen bereits jetzt zu treffen! Zumal das Schuljahr schon beinahe vorbei ist – jetzt zählt wirklich jeder Tag.

Wir haben daher konkret folgende Fragen an Sie als Leitende der zuständigen Ressorts, um deren Beantwortung wir bitten:

  1. Wie sieht der „Fahrplan“ für Schulen und Kitas in den Kreisen und kreisfreien Städten NRWs aus, der die Öffnungsschritte, ab einer anhaltenden Inzidenz von unter 100 verbindlich festlegt?
  2. Unter welchen Voraussetzungen plant die Landesregierung NRW, Unterricht für Schüler:innen in Vollpräsenz unter Einhaltung geeigneter Schutzmaßnahmen wieder zuzulassen?
  3. Unter welchen Voraussetzungen plant die Landesregierung NRW den Regelbetrieb in Kindertagesstätten unter Einhaltung geeigneter Schutzmaßnahmen wieder zu zulassen?
  4. Gibt es ein verbindliches Verfahren für alle Landkreise und kreisfreien Städte, das vorschreibt, wie beim Unterschreiten der Inzidenzwerte von 165 und 100 in Bezug auf Schulen und KITAS vorzugehen ist? Insbesondere möchten wir hierzu wissen, ob wirklich sichergestellt werden kann, dass die betroffenen Schulen nach Unterschreitung der Inzidenz von 165 bzw. 100 an fünf aufeinanderfolgenden Werktagen und Kitas verlässlich sofort öffnen, ohne dass weitere Zeit für die Vorbereitung der Wiederaufnahme von Beschulung und Betreuung aufgezehrt wird.
  5. Insbesondere interessiert uns, ob es eine verbindliche Inzidenz gibt, ab der Schulen in Vollpräsenz geöffnet werden. In diesem Zusammenhang verweisen wir auf die Wertung des Bundesgesetzgebers, die sich aus § 28b Abs. 3 IfSG ergibt. Danach ist Distanzunterricht nur lokal dort, wo die Inzidenz 165 übersteigt vorgesehen, und Wechselunterricht ebenfalls nur lokal dort, wo die Inzidenz zwischen 100 und 165 liegt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Vollpräsenz bereits jetzt in den Kommunen stattfinden sollte, wo die Inzidenz 100 unterschreitet. Dies betrifft bereits Stand 7. Mai sieben Kommunen, namentlich Münster, Höxter, Coesfeld, Soest, Viersen, Mülheim und der Rhein-Sieg-Kreis.[2] Diese gesetzgeberische Wertung widerspricht die derzeitige Corona-Betreuungsverordnung, die pauschal ungeachtet der Inzidenzen ausschließlich Wechselunterricht erlaubt. Wir fragen uns, wieso für Schließungen eine feste Inzidenz existiert, nicht aber für Öffnungen.
  6. Unter welchen Voraussetzungen werden Sie die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes für die Schüler:innen im Unterricht, insbesondere der Grundschüler:innen wieder zurücknehmen? Diese stellt eine große Belastung dar und führt bei nicht wenigen Schüler:innen zu Konzentrationsbeschwerden, Kopfschmerzen usw. Es sollte daher klare Zeile geben, wann eine Rückkehr in die Normalität angedacht ist.
  7. Unter welchen Voraussetzungen kann die Testpflicht an den Schulen entfallen?
Wir Familien in NRW brauchen dringend eine Perspektive, um in dieser Krise weiter durchhalten zu können und fordern diese hiermit ein. Wir benötigen verlässliche Aussagen, die wir unseren Kindern machen können, um ihnen Sicherheit bieten zu können.
Wir fordern Sie daher dazu auf, beginnen Sie bitte zeitnah zu planen. In vielen Kommunen sinken die Zahlen und bald werden wahrscheinlich viele weitere Kommunen in NRW unter einer Inzidenz von 100 sein. Bitte denken Sie heute an die Zukunft unserer Kinder und lassen Sie uns hoffnungsvoll in die zweite Jahreshälfte schauen. Und bitte erinnern Sie sich an die zahlreichen Versprechen der Politik, auch der Bundeskanzlerin, dass Schulen (und Kitas) als erstes wieder öffnen dürfen. Lassen Sie diesen Worten endlich Taten folgen!
Wir nehmen Sie hiermit beim Wort
 
 
Rebecca Johnson, Stefanie Seifert und Dr. Franziska Reiß
für #Laut für Familien NRW