Schulstart mit Hindernissen! Ergebnisse der Umfrage zum Schulstart in NRW.

Düsseldorf, 16. September 2020

Wir haben Eltern von schulpflichtigen Kindern in NRW befragt: Wie lief der Schulstart in NRW und wie gut waren die Schüler bzw. Schulen vorbereitet? Über 400 Eltern haben geantwortet.

Zuerst die positive Nachricht: Immerhin gehen 60% der Eltern davon aus, dass ihre Kinder aktuell gerne zur Schule gehen. Schaut man sich die Ergebnisse genauer an, zeichnet sich jedoch ein trauriges Bild ab:

− 58% der Schülerinnen in NRW haben weniger Sportunterricht als zuvor. Bei mehr als einem Viertel der Befragten werden generell weniger Fächer angeboten.

− Von den befragten Eltern geben über 34% deutliche Wissenslücken bei Ihren Kindern aufgrund der Schulschließungen vor den Sommerferien an. Allerdings wurden nur für 10,5% der Schülerinnen Lernstandserhebungen an den Schulen durchgeführt, um eventuelle Wissenslücken überhaupt erst identifizieren und beheben zu können.

− Die Frage, ob die Schulen für einen zweiten Lockdown gut gerüstet sind, kann nur mit einem klaren „Nein“ beantwortet werden: Nur 26,8% der Schülerinnen können ein digitales Endgerät an ihrer Schule ausleihen und nur knapp die Hälfte der befragten Eltern geben an, dass ihre Schule eine einheitliche Lernplattform für digitalen Fernunterricht eingeführt hat.

− Mehr als die Hälfte der Schülerinnen hatte während der Zeit der Schulschließung keinen Online- Unterricht über eine Lernplattform. Unterricht per Video-Chat fand nur für 27,7% der Schüler statt.

− Für Erstklässlerinnen hat in diesem Jahr (laut Befragung) nur in 34,6% der Fälle eine Schuleingangsuntersuchung stattgefunden!

− Laut 13,6% der Befragten lassen sich in der Klasse ihres Kindes die Fenster nicht in Gänze zum Lüften öffnen.

− Circa 30% der Befragten wissen über deutliche bauliche Mängel zu berichten. Aber nur in 3,6% der Fälle gab es in den letzten Monaten coronabedingt bauliche Verbesserungen an den Schulen.

− Obwohl die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung (MNB) im Unterricht in NRW seit dem 01.09. aufgehoben wurde, trägt weiterhin mehr als jeder Vierte der Schülerinnen eine MNB am Platz. Fast 70% der Kinder an den Schulen machen dies allerdings nicht freiwillig! So geben über 45% der befragten Eltern an, die Schule habe die Schülerinnen dazu angewiesen. In 24,4% der Fälle erfolgte dies auf direkte Weisung der Lehrkraft.

− Auch in der OGS (Offener Ganztag) tragen mehr als die Hälfte der Schülerinnen eine MNB, wobei es sich hier meist um Grundschülerinnen handelt. Und dies, obwohl laut aktueller Corona-Betreuungsverordnung des Landes NRW in der OGS keine Pflicht zum Tragen einer MNB besteht. Lediglich 11,4% der befragten Eltern gaben an, dass ihre Kinder dies freiwillig tun.

− Die OGS findet zum Teil in vermindertem Betreuungsumfang statt. Knapp ein Viertel der Befragten gaben an, dass die Betreuungsstunden von Seiten der Schule reduziert wurden.

Düsseldorf, 16 September 2020 – Gestern lief in NRW die aktuell gültige Corona-Betreuungsverordnung aus.1 Sie ist in unveränderter Form verlängert worden. Aus diesem Anlass zieht Familien in der Krise (FidK)
heute Bilanz. Schulministerin Gebauer hat am 23.06.2020 verkündet, NRW nähme den „Regelbetrieb“ in den Schulen wieder auf.2 Heike Riedmann von FidK meint dazu: „Wie kann man von einem Regelbetrieb an den Schulen sprechen, wenn Fächer wie Musik, Sport, Kunst, Englisch und Religion für über ein Viertel der Schülerinnen nicht stattfinden?“ Und Nele Flüchter erklärt: „Es ist sehr bedenklich, dass ein bewegungsorientiertes Fach wie Sport für über 57% der Schülerinnen nur im reduzierten Maße stattfindet. Vor allem wenn man bedenkt, dass laut einer Studie der BKK Pronova knapp vier von zehn Kinderärzten Entwicklungsverzögerungen bei ihren Patienten beobachten, die sie auf die Corona-Krise zurückführen.3 Hier wäre Schulsport dringend notwendig.”


Besonders erschreckend: Lediglich bei 10% der Schülerinnen wurde eine Lernstandserhebung nach Öffnung der Schulen durchgeführt. Anscheinend wurden durch das Schulministerium keinerlei bindende Vorgaben für die Erfassung von Lerndefiziten der Schülerinnen vorgegeben.


Doch selbst wenn das Schulministerium eine Verordnung erlässt, werden die Schulen nicht dazu angehalten, diese auch einzuhalten. Obwohl in der Betreuungsverordnung das Tragen einer MNB innerhalb der OGS nicht vorgesehen ist, geben über 50% der Befragten an, ihre Kinder müssten vor Ort eine MNB tragen. Und zwar in der Regel nicht freiwillig, sondern auf Druck der Schulen. Das Schulministerium hat dafür Sorge zu tragen, dass die Schulen die Verordnung wie vorgesehen umsetzen und muss Alleingänge der Schulen unterbinden.

Familien in der Krise hätte erwartet, dass das Land NRW seinem staatlichen Bildungsauftrag während und nach den monatelangen Schulschließungen deutlich besser nachkommt. Vor allem wenn man bedenkt, dass
Ministerpräsident Armin Laschet in seiner Regierungserklärung vom 13.09.2017 den „Aufstieg durch Bildung“ für „unsere Landeskinder“ versprochen hat.4 Diesen Worten sollten endlich Taten folgen! Es wäre
überdies Aufgabe der Landesregierung oder des Schulministeriums gewesen, zu kontrollieren, ob und in welcher Form die gravierenden Lerndefizite der Schüler*innen an den Schulen erhoben und bearbeitet
wurden und werden. Aufgrund der aktuellen Entwicklung der Pandemie ist weiterhin von Teilschließungen an den Schulen auszugehen. Falko Dörnemann meint: “Wenn die Politik diese Bildungskatastrophe noch
stoppen will, braucht es sofort bessere Qualitätsstandards und einheitliche Konzepte für digitalen Unterricht, mehr digitale Endgeräte und engagierte Lösungen für die Aufarbeitung der enormen Bildungslücken, die fast ein halbes Jahr fehlender Präsenzunterricht hinterlassen haben.”

FidK erwartet von der Landesregierung, endlich alles daran zu setzen, um qualitativ hochwertigen und zuverlässigen Präsenzunterricht an den Schulen durchzuführen.

Sie können über folgenden Link die ausführlichen Ergebnisse der Umfrage einsehen:

https://www.umfrageonline.com/results/da15499-fd2fb28


Kontakt und weitere Informationen
Familien in der Krise | Landesgruppe NRW
Nele Flüchter
info@lautfuerfamilien.de

Fussnoten:
1 https://www.land.nrw/sites/default/files/asset/document/2020-831_coronabetrvo_vom_31.08.2020_lesefassung.pdf
2 https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/ministerin-gebauer-wir-wollen-unseren-schuelerinnen-und-schuelern-schulische

3 https://www.pronovabkk.de/presse/pressemitteilungen/corona-krise-kinder-in-seelischen-noeten.html
4 https://www.land.nrw/de/die-regierungserklaerung-im-wortlaut

Ein Gedanke zu „Schulstart mit Hindernissen! Ergebnisse der Umfrage zum Schulstart in NRW.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert