Strategiewechsel jetzt!

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrter Herr Minister Laumann,
sehr geehrter Herr Minister Dr. Stamp,
sehr geehrte Frau Ministerin Gebauer,

in unseren zahlreichen Briefen an Sie haben wir eigentlich alles gesagt. Aber unsere Kinder und Jugendlichen sind nach 18 Monaten Pandemie noch immer die Hauptleidtragenden der Anti-Corona-Maßnahmen.

Inzwischen haben alle Lehrkräfte an Grundschulen und weiterführenden Schulen ein Impfangebot erhalten, wer wollte, ist geimpft. Auch die an Schulen tätigen Betreuungskräfte hatten die Möglichkeit sich impfen zu lassen. Sogar für Kinder und Jugendliche besteht die Möglichkeit, sich impfen zu lassen, auch wenn weiterhin die Wahrheit gilt: Für Kinder und Jugendliche stellt das Sars-Cov-2-Virus in den allermeisten Fällen keine Gefahr dar. Sie erkranken nur sehr leicht oder gar nicht. Sie müssen nur sehr selten wegen einer Covid19-Erkrankung in eine Klinik eingewiesen werden, Todesfälle sind sogar äußerst selten.1

Ein Covid-Impfstoff für unter 12-jährige existiert zwar bisher nicht, hier trifft soeben Gesagtes – geringe Gefährdung der Personengruppe – genauso wie für die 12-18-Jährigen zu. Und: Kinder unter 12 Jahren mit schwerwiegenden Vorerkrankungen können bereits jetzt „offlabel“ die Covid19-Impfung erhalten. „LongCovid“ bei Kindern und Jugendlichen ist quasi nicht nachweisbar, weil vermeintliche Symptome des Phänomens in gleichem Maße Kinder betreffen, die eine Corona-Infektion durchgemacht haben wie Kinder, die nicht infiziert waren.2

Auch jeder Erwachsene hatte inzwischen das Angebot sich impfen zu lassen oder zumindest einen Impftermin zu erhalten und damit die Möglichkeit, in wenigen Wochen vollständigen Impfschutz zu haben. Auch wenn die Delta- Variante zwar ansteckender als der „Wildtyp“ des Virus ist, führt diese Variante nicht zu schwereren Verläufen und ist nicht tödlicher. Herr Minister Laumann, Sie haben kürzlich bei WDR Westpol angegeben, dass von den ab 18-jährigen 80 % der Bürger in NRW geimpft sind. Das ist sogar eine sehr hohe Impfquote!

Wir sind nun als Gesellschaft an dem Punkt angekommen, den Kanzleramtsminister Helge Braun im Frühjahr als Voraussetzung für ein „Ende der Maßnahmen“, beschrieben hatte.3 Das Ende aller Maßnahmen? Ist nicht in Sicht. Im Gegenteil!

Kinder und Jugendliche unterliegen – im Gegensatz zur Welt der Erwachsenen weiterhin den härtesten Regeln in
unserer Gesellschaft (NRW):

− zweimal wöchentlich PCR-Pool- bzw. Schnelltest oder Bürgertest außerhalb der Schule,
Betretungsverbot: nicht getestete (bzw. nicht geimpfte/nicht genesene) Schüler dürfen das Schulgelände nicht betreten,
− durchgängige Maskenpflicht für alle Alterststufen in Innenräumen, auch für Grundschulkinder im Unterricht und in der Nachmittagsbetreuung,
− Freizeitangebote häufig weiterhin nur mit Testpflicht. Die neue „Schülerausweis-Regelung“ wird an vielen Stellen immer noch ignoriert und es werden zusätzliche weitere Testnachweise von den Kindern und Jugendlichen gefordert.
Quarantäne für ganze Schulklassen und Kita-Gruppen: Auch nach Einführung der neuen Quarantäneregelung zeigt ich bereits in den ersten Schultagen, dass hier die Gesundheitsämter zum Teil noch immer „gießkannenartig“ Quarantäne für die gesamte Schulklasse verhängen bzw. ein schnelles Nachtesten sowie die Rückkehr in den Klassenraum nicht zeitnah ermöglicht. Dies kommt z.B. vor, wenn das PCR-Ergebnis eines Schülers fehlt. Ein „Freitesten“ ist nicht vorgesehen.

Gleichzeitig wurden die Regeln in den Büros und an den Arbeitsplätzen mit der neuen Arbeitsschutzverordnung aufgeweicht bzw. in die Verantwortung der einzelnen Betriebe gelegt. Arbeitnehmer/innen haben dadurch deutlich weniger scharfe Regeln. Nicht nur, dass Beschäftige ihre Wirkungsstätte in vielen Unternehmen auch ohne Erfüllung bzw. Prüfung des Impf-/Genesenen-/Teststatus betreten dürfen; bei ihnen gilt auch keine Maskenpflicht, selbst wenn sie den Mindestabstand nicht einhalten können, solange alle getestet, genesen oder geimpft sind. Wie kann diese Ungleichbehandlung mit Schülern erklärt werden?

Wir finden es unerträglich, dass nach anderthalb Jahren die Bedürfnisse und Interessen der Kinder und Jugendlichen noch immer derart hintanstehen. Kinder und Jugendliche werden weiterhin nicht gehört.4 Die Kinderrechte5, deren Einhaltung die Bundesrepublik Deutschland gesetzlich zugesichert hat, werden hier weitestgehend ignoriert. Während andere europäische Länder frühzeitig z.B. die Schulen wieder unter normal(er)en Bedingungen geöffnet haben, Kinder bis teilweise 12 Jahren von den Masken und der Abstandspflicht befreit haben, bleiben die Schulen in Deutschland eine Art Hochsicherheitstrakt. Auch der teilweise bereits erfolgte Einbau von Luftfiltern – so zeigt sich seit Schuljahresbeginn – führt nicht zu Erleichterungen für die Schülerinnen und Schülern.

Des Weiteren sehen wir kritisch, dass es Ihnen als regierungsverantwortliche Politiker nicht gelungen ist, eine evidenzbasierte Risikokommunikation in Bezug auf Kinder und Jugendlichen durchzusetzen. Stattdessen dominieren und dominierten immer wieder die alarmistischen medialen Aussagen, wie gefährdet Kinder und Jugendliche durch das Sars-Cov-2-Virus vermeintlich sind. Dieser Alarmismus diente dann immer wieder – und bis heute – als Begründung der harten Maßnahmen. Genau genommen härteren Maßnahmen als bei den Erwachsenen. Auch die Kommunikation rund um die Covid-Impfung für Jugendliche ab 12 Jahren lässt uns inzwischen fassungslos zurück: Druckausübung auf die STIKO, Impfbusse an Schulen, Androhung von Schulschließungen bei „unzureichender“ Impfquote bei den Jugendlichen. Die neueste Attacke auf die körperliche Integrität der Jugendlichen ist die Ankündigung des Hamburger Oberbürgermeisters die „optionale 2G-Regelung“, die Unternehmer durchsetzen dürfen und die nach einer „sechswöchigen Übergangsfrist“ auch für die Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren gelten soll. Geziemt es sich, diesen Druck auf unsere Kinder auszuüben? Wir Eltern sind entsetzt! Herr Ministerpräsident, bitte schließen Sie aus, dass es zu einem solchen Szenario in Nordrhein-Westfalen kommt! Eine solche Regelung unterliefe letztlich das politische Versprechen, „keine Impfpflicht“ einzuführen.6

Wichtig ist uns auch: Die Berge an Masken- und Schnelltest-Abfällen sind ein Desaster für Umweltschutzbemühungen. Die regelmäßigen Tests gesunder Kinder und Jugendlicher, bei denen Woche für Woche nur eine sehr geringe Zahl an symptomlosen Kindern und Jugendlichen mit positivem Testergebnis gefunden werden und von denen vermutlich in der Regel kaum eine Ansteckungsgefahr im Schulkontext ausgeht,7 sorgen für eine Verschwendung von Steuergeldern.8 Auch sind die negativen psychologischen Auswirkungen nicht zu unterschätzen.9

Wie soll es weitergehen? Wie auch andere Kritiker*innen der Corona-Maßnahmen fragen wir uns, wie die „Exit-
Strategie“ aus der Pandemie
bzw. Verbots- und Kontrollpolitik der Landesregierung NRW bzw. der Länder und des Bundes aussieht? Noch nie hat eine Regierung unseren bzw. den Alltag unserer Kinder bis in solche Details durchdefiniert. Passt das zu einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung? Wir fragen uns, wann und wie der Ausstieg aus den für die Kinder und Jugendlichen umfangreichen Maßnahmen an den Schulen geplant ist und gelingen soll? Wir beobachten darüber hinaus mit Sorge eine sich verstärkende Spaltung der Gesellschaft, an der die politisch Verantwortlichen mitwirken: Menschen, die sich zurzeit gegen die Covid-Impfung entscheiden, werden zunehmend unter Druck gesetzt. Unter diesen Menschen sind mitnichten viele „Impfgegner“.


Unter ihnen sind viele Eltern. Sollte die Landesregierung ernst machen und die Kostenpflicht der Corona-Schnelltests einführen bei gleichzeitiger Beibehaltung der Testpflicht an vielen Orten der gesellschaftlichen Teilhabe bzw. sogar – wie auch bereits angekündigt – Menschen, d.h. auch weniger finanzstarke Eltern aus sozialen Lebensbereichen ausschließen, die nicht Covid-geimpft sind, treiben wir einen tiefen Keil in die Gesellschaft. Dies ist die Gesellschaft, in der unsere Kinder aufwachsen. Wir verwehren uns dagegen, die Menschen nach ihrem (Nicht-)Impfstatus einzuteilen und Bürger, die sich gegen die Covid-Impfung entscheiden als gesellschaftliche Minderheit auszugrenzen! Sie grenzen die Familien bzw. auch die Kinder mit ihren nicht Covid-geimpften Eltern aus! Sie verwehren damit auch den Kindern und Jugendlichen derjenigen die soziale Teilhabe.

In Bezug auf die Schulkinder fordern wir jetzt eine Rückkehr zum normalen Schulalltag ohne Masken, ohne regelmäßige anlasslose Corona-Schnelltests bzw. PCR-Pooltestungen und weitere nicht altersgerechte Hygienemaßnahmen. Wir fordern ein Bekenntnis der Politiker zum täglichen Präsenzunterricht auch im kommenden Herbst und Winter. Und zwar unabhängig von Inzidenzen, welche wenig aussagekräftig über das Gefährdungsrisiko sind. Unanbhängig von Hospitalisierungszahlen in der lokalen Allgemeinbevölkerung und nicht zuletzt unabhängig vom Impfstatus der Jugendlichen bzw. unter den Erwachsenen. Die Impfung haben Sie nämlich richtig, Ministerin Gebauer, als „eine ganz persönliche Entscheidung“ bezeichnet.10

Wir fordern, dass neben Schulen auch Kitas konsequent offen bleiben und nie wieder geschlossen werden. Die Quarantäne bzw. Isolierungs-Regelung darf sich – nach dem Beispiel von Berlin11 – im Schul- und im Kita-Bereich zukünftig nur auf die tatsächlich Sars-Cov-2-infizierten bzw. -erkrankten Personen beziehen! Die Regelungswut der Landesregierungen ist ausgeufert.12

Unsere Kinder und Jugendlichen benötigen jetzt wieder Normalität, Familien und Eltern benötigen jetzt die Sicherheit, dass es nicht zu erneutem Homeschooling kommt und die Rechte und Bedürfnisse unserer Kinder und Jugendlichen gehört und beachtet werden. Der Alarmismus muss enden. Eine evidenzbasierte Risikokommunikation bedeutet, dass auch ängstlichere Eltern über das tatsächlich geringe Erkrankungsrisiko ihrer Kinder aufgeklärt werden.

Wir haben sehr genau verfolgt, was der stellvertretende Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens bereits mehrfach gefordert hat: einen „Freedom-Day“ in Deutschland am 03.10.2021. Herr Minister Dr. Stamp, Sie stellten zu Recht fest, dass wir dringend aus dieser „Angstgesellschaft“ aussteigen müssen.13 Der mündige Bürger muss seine Lebensrisiken in Eigenverantwortung bewältigen. Alles andere ist eine gefährliche Entwicklung weg von einer freiheitlich-liberalen Demokratie, wie wir sie kennen und schätzen. Die negativen gesellschaftlichen Folgen bzw. die Folgen für die heranwachsende Generation sind bereits jetzt enorm: Bildungsausfall, psychische Auffälligkeiten durch die Isolation und nicht-kindgerechte von den Erwachsenen abverlangte Lebensweise, mehr häusliche Gewalt und Missbrauch an Kindern, mehr Kinder in Armut durch Jobverluste der Eltern und damit Abhängigkeit von Sozialleistungen etc.

Den von Herrn Dr. Stamp vorgeschlagenen zeitnahen „Freedom Day“ halten wir daher für eine gute Idee. Unsere westlichen und nördlichen Nachbarn haben ihn bereits durchgeführt oder ein Datum benannt. Führen Sie das Land zurück in die Normalität einer freiheitlichen Demokratie, so wie wir sie auch unseren Kindern vererben möchten.

Mit freundlichen Grüßen

#Laut für Familien

Fußnoten:

1 https://lautfuerfamilien.de/impfpflicht-fuer-kinder-nein
2 https://www.mdr.de/wissen/long-covid-bei-kindern-100.html, https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/126121/Studie-Long-COVID-bei-Kindernund-Jugendlichen-eher-selten
3 https://rp-online.de/panorama/coronavirus/corona-massnahmen-braun-benennt-voraussetzungen-fuer-sommer-ohne-einschraenkungen_aid-56641017

4 https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw37-pa-kinderkommission-corona-706358 ,
https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-coronavirus-donnerstag-225.html
5 https://www.kinderrechtskonvention.info/
6 https://www.welt.de/politik/deutschland/article224250326/Impfpflicht-Jens-Spahn-wird-deutlich-Ich-habe-mein-Wort-gegeben.html
7 Siehe Punkt 3: „[…] Schließlich gibt es vermutlich auch Ansteckungen durch Personen, die zwar infiziert und infektiös waren, aber gar nicht erkrankten (asymptomatische Übertragung). Diese Ansteckungen spielen vermutlich jedoch eine untergeordnete Rolle (47).“ https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=96388ECDDDBC51617213027ABF198080.internet061?nn=2386228#doc13776792bodyText3
8 https://www.schulministerium.nrw/ergebnisse-der-woechentlichen-umfrage-zum-schulbetrieb-corona-zeiten
9 https://lautfuerfamilien.de/selbsttests-an-schulen

10 https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/schulministerin-gebauer-schulen-sommerferien-100.html
11 https://www.zeit.de/news/2021-08/27/kontaktverfolgung-an-schulen-und-kitas-hoert-auf
12 Laut einem BILD-Bericht schießen die Regelungen an so einigen Schulen sogar noch über (vorgegebene) Ziel hinaus: https://www.bild.de/bildplus/politik/inland/politik-inland/absurde-corona-regeln-schueler-muessen-im-stehen-essen-77471178,view=conversionToLogin.bild.html
13 https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-westblick-aktuell/audio-stamp-muessen-raus-aus-der-angstgesellschaft-100.html