Alle Kinder und Jugendlichen haben ein Recht auf Bildung und soziale Teilhabe!

Hier gehts zur Petition von Dr. Ruth Adam und Julia Fohr

https://www.change.org/p/frau-dr-eisenmann-und-herr-kretschmann-alle-kinder-und-jugendliche-haben-ein-recht-auf-bildung-und-soziale-teilhabe

Foto: CDC auf Unsplash.com

Baden-Würtemberg, März 2021

Wir fordern Präsenzunterricht ohne Präsenzpflicht für alle Grundschulklassen und alle Klassen der weiterführenden Schulen.

Wir fordern eine umgehende Öffnung der Sportstätten, Musikschulen und anderer kultureller Bildungseinrichtungen für alle Kinder und Jugendlichen mit angemessenem Hygienekonzept.

Wir haben am 01.03.2021 einen offenen Brief an Frau Dr. Eisenmann und Herrn Kretschmann geschrieben. Darin baten wir Herrn Kretschmann um eine klare Stellungnahme zu den aufgeführten Punkten. Wir haben bis heute keine Antwort bekommen! Deswegen haben wir jetzt diese Petition gestartet, weil wir nicht akzeptieren, ignoriert zu werden.

Unser offener Brief, der unsere Forderungen enthält:

Sehr geehrte Frau Dr. Eisenmann, sehr geehrter Herr Kretschmann,
wir sind Kinder- und Jugendärztinnen in einer Praxis und haben Ihnen am 28. 5. 2020 einen Brief mit 109 Unterschriften, am 30.06.2020 einen zweiten Brief mit 61 Unterschriften geschrieben.
Ihre Antwort durch Ihr Referat war, dass Sie das Ihnen Bestmögliche tun. Diese Antwort reicht uns diesmal nicht.
Heute schicken wir Ihnen einen Brief mit den Unterschriften von 287 Unterstützenden, gesammelt innerhalb von 72 Stunden.

Wir stehen vor den Landtagswahlen und möchten konkrete Aussagen haben. Klare Kante, Herr Kretschmann, wie auf einem Ihrer Wahlplakate versprochen – sagen Sie uns, was Sie für die Zukunft der baden-württembergischen Schüler und Schülerinnen tun möchten. Mit großer Besorgnis wenden wir uns erneut an Sie, Frau Dr. Eisenmann und Herr Kretschmann.
Wir sehen in der täglichen Arbeit in unserer kinder- und jugendärztlichen Praxis immer stärkere Folgen der Schulschließungen und des Lockdowns. Es gibt inzwischen viele Studien, die belegen, dass psychische und psychosomatische Auffälligkeiten bei Kindern deutlich zugenommen haben wie z.B. die COPSY-Studie der Universitätsklinik Eppendorf.

Auch wir könnten Ihnen viele Beispiele nennen. Der 5-jährige, der wieder einnässt, die 7-jährige, die nicht mehr alleine schlafen kann, die 11-jährige, die Bauchschmerzen hat und regelmäßig erbricht, weil sie mit dem Homeschooling überfordet ist, die 14-jährige, die sich nur noch in ihr Zimmer zurückzieht und kaum mehr isst, der 15-jährige, den die Eltern nicht mehr von der Spielkonsole wegbekommen. Auch bei den Vorsorgeuntersuchungen sehen wir die Folgen.
Die Sprachkompetenz vieler Kinder hat sich deutlich verschlechtert. Viele Kinder haben im letzten Jahr an Gewicht zugenommen. Der Medienkonsum, auch bei kleinen Kindern, hat in besorgniserregendem Maße zugenommen. Existentielle Ängste und finanzielle Sorgen in der Familie belasten Kinder und Jugendliche.

Kinder brauchen für ihre gesunde Entwicklung den Kontakt zu Gleichaltrigen, die Möglichkeit, sich im kreativen Spiel zu entfalten, und viel körperliche Bewegung. Im Jugendalter besteht der Lebensmittelpunkt im Bezug zur Gruppe im selben Alter. All das wird den Kindern und Jugendlichen zur Zeit verwehrt mit gravierenden Folgen.

Schon seit Beginn der Pandemie wird von vielen Verbänden, u.a. dem der Kinderärzte und der Kinderpsychologen und dem Kinderschutzbund, immer wieder darauf hingewiesen, wie schädlich der Lockdown und die Schulschließungen für die Jüngeren unserer Gesellschaft sind. Die Ifo-Studie weist darauf hin, wie negativ sich ein Bildungsverlust von nur 1/3 Schuljahr auf das gesamte Erwerbsleben auswirkt.
Wie also kann es sein, dass wir ein Jahr später immer noch keine kinderfreundlichen Konzepte haben, die den Kindern trotz Pandemie das ermöglichen, was sie zum gesunden Großwerden und für ihre Zukunft brauchen, nämlich soziale Teilhabe und Zugang zu Bildung?
Wir brauchen Konzepte, wie Vereine trotz Pandemie den Kindern Zugang zu Sport ermöglichen können. Wir brauchen Konzepte, die Bildung nicht zur Glücksache machen. Glück, das davon abhängt, welche Ressourcen im Elternhaus vorhanden sind oder welche Schule man besucht. Diese Konzepte können nicht an Inzidenzwerte gekoppelt sein, die wir vielleicht oder vielleicht auch nicht irgendwann im Frühjahr erreichen.
Für uns Erwachsene war das Pandemiejahr lang. Für kleinere Kinder ist diese Zeit unendlich. Für Jugendliche ist es eine Zeit vieler verpasster Chancen und verpasster Erfahrungen, die später nicht mehr nachgeholt werden können. In einem Jahr in der Kindheit oder Jugend passiert weit mehr als in einem Jahr eines Erwachsenen.Warum dürfen Erwachsene weiterhin gemeinsam im Büro, in der Fabrik oder auf der Baustelle arbeiten? Auch in Betrieben kommt es immer wieder zu Infektionen, und dennoch lassen wir die Betriebe zumeist weiterlaufen und reagieren lokal auf den Ausbruch.
Warum werden Schulen so explizit anders behandelt als Betriebe und andere Stellen, an denen notgedrungen Menschen zusammen kommen? Es gibt keine Nachweise, dass Schüler häufiger als andere Berufsgruppen zu Coronainfektionen beitragen.


Warum dürfen dann Kinder nicht mit Hygienekonzepten in festen Klassenverbänden gemeinsam lernen?


Es kann nicht alles dem Infektionsschutz untergeordnet werden. Auch andere Gesichtspunkte müssen berücksichtigt werden. Das Wohlergehen, die soziale Teilhabe und die Bildung unserer Kinder müssen priorisiert werden. Seit einem Jahr haben unsere Kinder nun keinen verlässlichen Schulunterricht gehabt.
Zwar waren die Schulen im Herbst für einige Wochen offen, aber wir haben in unserer Praxis Kinder, die innerhalb der 12 Wochen Schulöffnung 6 Wochen in Quarantäne waren! Anderthalb Monate, in denen die Kinder in einer Wohnung eingesperrt waren, ohne die Möglichkeit, im Freien zu toben und zu spielen. Oft war die Kontaktperson nicht einmal in derselben Klasse, sondern in der Parallelklasse. Die Quarantäne wurde verhängt, weil man sich auf dem Schulhof hätte begegnen können.
Die viel diskutierten Grundschulöffnungen ab dem 22.2. bedeuten in einem konkreten Fall für eine Drittklässlerin, deren Schule nach Ihren Mindestvorgaben öffnet, dass sie in den 5 Wochen bis zu den Osterferien genau 5 Tage in der Schule sein wird. Im Durchschnitt also einen Tag pro Woche!
Die Abschlussklassen bekommen jede zweite Woche Unterricht in den Hauptfächern!
Die restlichen Schüler der weiterführenden Schulen haben noch gar keine Perspektive, wann sie die Schule wieder von innen sehen werden. Das ist nicht genug!


Uns ist völlig klar, dass SARS-CoV2 zu schwerwiegenden Erkrankungen führen kann, und wir stimmen ebenfalls zu, dass wir diese möglichst verhindern müssen.
Dennoch dürfen wir dabei manche Dinge nicht aus den Augen verlieren. Es muss neben der Verhinderung von Infektionen auch andere Prioritäten für unsere Gesellschaft geben. Die psychische und physische Gesundheit unserer Kinder und ihr Recht auf Bildung und soziale Teilhabe gehören eindeutig dazu.


Wir fordern Sie daher auf, sich für die Kinder und Jugendlichen in unserem Land einzusetzen.
Wir fordern Sie auf, alle Schulen im Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen mit entsprechenden Schutz- und Hygienekonzepten wieder zu öffnen. Die Gefahren lassen sich minimieren durch feste Gruppen, Masken für weiterführende Schulen, sinnvoll eingesetzte Schnelltests, zusätzliche Schulbusse, Luftfilter, etc.
Wir fordern Sie auf, den Kindern und Jugendlichen Vereinssport mit entsprechenden Konzepten wieder zu erlauben und zu ermöglichen.


Mit freundlichen Grüßen                                                                                              

Julia Fohr und Dr. Ruth Adam 

Kinder- und Jugendärztinnen                                                                                   

 
Bahnhofstr. 52, 70734 Fellbach
E-Mail: info@praxis-ruth-adam.de